Schreibwerkstatt II

Anmerkungen zur Diskussion (UG)


1. Der Komplexität von Manipulation sind die Reduktionen gegenüberzusetzen
1.1 erkennbare wirkungsvolle Handlungen
1.2 pathologisierende (double bind) Interaktionen
1.3 verschleiernde Kommunikation

2. Wenn einer in einer bestimmten Art handelt und wirkt, wer sagt dann,
- dies sei Manipulation?
- dies sei Aufklärung?
- dies sei Führung?

Ist z.B. der Verzicht auf Rache Manipulation oder Aufklärung? - oder wie?
Ist z.B. die Aufforderung zur Kooperation Manipulation oder Aufklärung?

3. "Ich bin Christ!" oder "Ich als Christ..." ist klar - "Wir als Christen" ist der pathologisierende Satz. Aber auch Aufklärung kann pathologisieren, wenn sie die Unterstellung heilig spricht: "Du bist doch ein denkender (mündiger, subjekthafter, selbstverantwortlicher usw) Mensch!" Heiligsprechungen von Wörtern und Sätzen sind notwendig (wir setzen einmal voraus...) für Aufklärung und Manipulation.

4. Was nützt es dem Menschen, wenn er alles erreicht, an seiner Seele aber Schaden leidet!"

Distanzierung und so-nah-wie möglich drangehen setzen Menschen dem aus, daß sie mit der Skepsis gegenüber Vertrauten das Vertrauen in das Fremde setzen.


Einleitung zum Workshop MASTERSUPERVISORENAUSBILDUNG
Juli 1993, von Ursula Geißner

Dieses Jahr ist mir aufgefallen, wie spärlich in den Medien der 20. Juli gefeiert wurde. Dort wo ich war, dachte keiner daran. Das macht mich nicht nur nachdenklich, sondern mir fehlt etwas. In meiner Familie hat der 20. Juli immer eine Rolle gespielt: Ich habe mitbekommen, wie aufgeregt der kleine Freundeskreis um meinen Onkel und meine Mutter war, wie sie immer wieder Nachrichten zu bekommen versuchten auf den Kanälen der "Feindsender", wie alles startbereit schien und wie am nächsten Tag die kleine Gruppe voller Traurigkeit weinte.

Auch da gab es die verschiedenen Welten: die trauerten und die sich freuten. Ich wußte, daß ich zu denen, die triumphierten, von all dem nichts sage durfte und entweder zu schweigen hatte oder irgendwelche Geschichten erfinden mußte.

Nach dem Krieg blieb es bei Gedenkfeiern, auch im Freundeskreis meiner Eltern mit der immer wieder heftig diskutierten Frage: was wäre gewesen, wenn... Mein Vater meinte, dann, wenn Hitler getötet worden wäre, hätten die Faschisten einen Märtyrer, einen Heiligen. Meine Mutter meinte: aber uns wäre viel Leid erspart geblieben und diese Gesellschaft sähe anders aus.

Auch diesen Widerspruch gilt es weiter zu erhalten und zu bewegen, natürlich auch heute.

Dann waren da die Feste, die am 20. Juli gefeiert wurden: ungewandelt zu Familienfesten, meine Söhne gingen an diesem Tag zum ersten Mal zum Abendmahl (Erstkommunion). Aber auch Verhörtage gab es, und Nachfragetage und Erzähltage: lebendige Geschichte.

Wenn ich mich so darstelle, merke ich, daß ich wirklich älter bin. Aus einem Erlebensraum komme, den keiner aus der Gruppe der Mastersupervisoren-Ausbildungs-Leuten teilt.

Später: Aber sie sind doch die Kinder dieser Väter und Mütter, die da gelebt haben, als Faschisten, als Täter, als Opfer, als Kriegsteilnehmer, als Trümmerfrauen...
Was aber bedeutet das für ihre Biographie und ihr Leben?
Was wissen sie davon?
Haben ihre Eltern getrauert, sich geschämt, daran gearbeitet, Deutsche zu sein?
Und wie?

Später... der Text: "töchter"  


aus: "Vorläufige Texte", S. 73 ff., Denzlingen, 1994  

Dr. Ursula Geißner, Lehr-Supervisorin, Lehr-Trainerin, Organisationsberaterin (DGSD)